Finanzielle Notlage deutscher Kliniken: Landrat fordert Bundespolitik eindringlich zum Handeln auf

85 Prozent der baden-württembergischen Kliniken erwarten für 2024 hohe Defizite / Auch die Rems-Murr-Kliniken kämpfen gegen steigende Klinikdefizite

Winnenden. Die finanzielle Situation der Krankenhäuser verschlechtert sich zunehmend. Einer Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zufolge rechnen bundesweit 70 Prozent der Kliniken mit einem negativen Ergebnis für dieses Jahr. In Baden-Württemberg stellt sich die Situation noch bedrohlicher dar, wie auch der Landkreistag Baden-Württemberg in einem Positionspapier vom 24. Juni verdeutlicht: Nach Angaben der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) erwarten 85 Prozent der Kliniken im Land hohe Defizite für 2024. Ursachen für die schlechte wirtschaftliche Lage sind neben gesunkenen Fallzahlen die hohe Inflation in den Jahren 2022 und 2023 verbunden mit drastischen Preissteigerungen und deutlich höheren Löhnen. In der Region betrifft dies beispielsweise die Ostalb-Kliniken, die ein Defizit von mehr als 60 Mio. Euro für 2024 befürchten. Noch höhere Defizite werden in anderen Häusern erwartet, etwa beim Klinikverbund Südwest oder dem Klinikum Stuttgart. Je nach weiterer Entwicklung und möglichen Ausgleichszahlungen erwartet man im Geschäftsjahr 2024 auch bei den Rems-Murr-Kliniken ein Defizit von voraussichtlich über 30 Mio. Euro.

„Nachdem sich das Ergebnis 2023 mit -23,5 Mio. Euro zum Vorjahr trotz geringerer Hilfen vom Bund leicht verbessert hatte, sind das keine guten Aussichten“, betont Landrat Dr. Sigel. „So ein Ergebnis würde deutlich hinter den Zielen zurückbleiben, die wir uns mit unserer Medizinkonzeption gesetzt haben. Ich habe immer klar gesagt, dass man mit Kliniken kein Geld verdienen wird, aber die anvisierte Zielmarke war ein jährliches Defizit von 10 Millionen Euro. Es schmerzt, wenn der Landkreis als alleiniger Gesellschafter letztlich für die mangelhafte Klinikfinanzierung des Bundes zur Kasse gebeten wird.“

Der Landrat des Rems-Murr-Kreises und Aufsichtsratsvorsitzende der Rems-Murr-Kliniken befürchtet aufgrund dieser alarmierenden Zahlen weitere Standortschließungen im Land und fordert die Bundespolitik erneut eindringlich zum Handeln auf: „Das wirtschaftliche Risiko steigender Defizite der Kliniken schwebt weiter wie ein Damokles-Schwert über den Krankenhäusern. Zwar stehen die Rems-Murr-Kliniken im Verhältnis zu anderen Kliniken verhältnismäßig gut da und wir haben viele unserer Hausaufgaben gemacht“, so Landrat Sigel. „Doch das ist nur ein kleiner Trost, denn es geht deutschlandweit um die zwingend notwendige Sicherung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum, die auf dem Spiel steht.“

Laut Gesundheitsministerium sei das Ziel der Krankenhausreform, unnötige Klinikschließungen zu vermeiden und flächendeckend eine qualitativ hochwertige Versorgung – auch in ländlichen Regionen – sicherzustellen. „Doch ohne Sofortmaßnahmen, die vor allem eine dringend notwendige Kompensation der Inflationslücke aus den vergangenen Jahren und eine solide Finanzierungsbasis vorsehen, kommt die Reform für viele Kliniken zu spät. Es drohen weitere Insolvenzen, insbesondere im ländlichen Raum. Die Bundespolitik muss jetzt handeln, und ich erwarte, dass eine auskömmliche Klinikfinanzierung im Bundeshaushalt wiederfindet!“

Der Geschäftsführer der Rems-Murr-Kliniken, André Mertel, pflichtet bei: „Die Situation ist sehr ernst. Wir unternehmen zusammen mit unseren Mitarbeitenden enorme Anstrengungen und machen täglich unsere Hausaufgaben. Doch mit den derzeitigen Rahmenbedingungen ist der Klinikbetrieb für uns und andere Häuser auf Dauer nur durch die dauerhafte finanzielle Unterstützung der Landkreise als Träger zu stemmen.“

Geplante Krankenhausreform sieht nur unzureichende Verbesserungen vor
Die Bundesländer haben bereits mehrfach Widerstand geäußert und umfangreiche Korrekturen am Entwurf des sogenannten Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) gefordert. Eine Reform könne nur gemeinsam mit den für die Krankenhausplanung zuständigen Ländern gelingen, hieß es mehrfach. Die Notwendigkeit der Reform würde von allen befürwortet, nicht jedoch das aktuelle Vorgehen des Bundes, wie Landrat Dr. Sigel unterstreicht: „Das Vorgehen des Bundesgesundheitsministeriums erachten wir weder inhaltlich noch politisch als akzeptabel. Darauf habe ich zuletzt in einem gemeinsamen Brief mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Kliniken im Ostalbkreis, Landrat Dr. Joachim Bläse, an die Bundestagsabgeordneten hingewiesen und deutliche Nachbesserungen gefordert. Die dauerhafte auskömmliche Finanzierung der Kliniken muss mit dem KHVVG ebenso sichergestellt werden wie deutliche Bestrebungen zur Entbürokratisierung.“


Kommunale Klinikbetreiber müssen große Verluste ausgleichen
Der Rems-Murr-Kreis und andere Kommunen übernehmen als Träger eine unverzichtbare Rolle in der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Nach Angaben des Landkreistages Baden-Württemberg haben kreiskommunale Klinikbetreiber zwischen 2018 und 2022 rund 1,6 Mrd. EUR Stützungsbeiträge an ihre Krankenhäuser gezahlt. „Allein seit meinem Amtsantritt musste der Rems-Murr-Kreis fast 200 Millionen Euro an Klinikdefiziten ausgleichen. Das ist eine enorme Summe, die letztlich von unseren Städten und Gemeinden über die Kreisumlage refinanziert werden muss“, so der Landrat. „Nichtsdestotrotz wird der Rems-Murr-Kreis – wie in den Jahren zuvor – die Mittel aus dem Kreishaushalt bereitstellen, die notwendig sind, um die sehr gute Gesundheitsversorgung für die Bürgerinnen und Bürger im Rems-Murr-Kreis sicherzustellen. Klar ist aber auch: Auf Dauer ist das für uns als Landkreis weder zu stemmen noch zumutbar.“

Klinik-Geschäftsführer André Mertel weiß um den Wert der Zusammenarbeit mit dem Rems-Murr-Kreis: „Wir sind sehr dankbar, dass uns der Landkreis und der Aufsichtsratsvorsitzende seit Jahren zuverlässig den Rücken stützen. Das schafft viel Freiraum für die Weiterentwicklung unserer medizinischen Angebote auf hohem Niveau und die Sicherung der Notfallversorgung.“ Wie zuvor Landrat Dr. Sigel sieht auch Geschäftsführer Mertel die Bundespolitik in der Pflicht: „Die Patientenversorgung in den Krankenhäusern muss jetzt sofort finanziell gestützt werden, um die flächendeckende Versorgung der Menschen weiter garantieren zu können. Die bereits massiv verzögerte Krankenhausreform wird nicht das akute Problem der inflationsbedingten Mehrkosten lösen – die sich bei vielen Kliniken enorm negativ auf das Finanzergebnis und demzufolge die Leistungsfähigkeit auswirken.“

Die nächsten Termine der Veranstaltungsreihe, weitere Informationen über die Rems-Murr-Kliniken und medizinische Videos zu Krankheitsbildern und Therapien gibt es im Internet unter www.rems-murr-kliniken.de und in den Social-Media-Kanälen Facebook, Instagram und YouTube.